Neustrelitz gestalten - 30 Jahre Stadtsanierung

6 Zum Zeitpunkt der deutschen Wiederverei- nigung stand Neustrelitz vor der Herausfor- derung, das baukulturelle Erbe der früheren Residenz- und Landeshauptstadt vor dem endgültigen Verfall zu retten. Darüber hi- naus galt es Baulücken zu schließen und neue Perspektiven für Gewerbebrachen, zum Beispiel am Zierker See, zu finden. Tragfähige Konzepte für zeitgemäße Nut- zungen wurden benötigt, um die Innenstadt zu einem attraktiven Standort für Wohnen, Wirtschaft und Tourismus mit entsprechen- der Infrastruktur zu entwickeln, der dem schützenswerten Bestand sowie veränder- ten modernen Anforderungen gerecht wird. Wie viele Orte in den ostdeutschen Bundes- ländern kann auch Neustrelitz nach 30 Jahren eine beachtliche Zwischenbilanz in der Stadterneuerung ziehen. Ein erster entscheidender Schritt war 1991 die Ausweisung des Sanierungsgebie- tes „Stadtdenkmal Neustrelitz“. Es umfasst 118 Hektar und erstreckt sich zwischen Zierker See und Bahnhof, Louisenstraße und Tiergartenstraße und wird mit Hilfe von Förderprogrammen des Landes, des Bundes und der Europäischen Union restauriert. Bis zum 31. Dezember 2020 sind mehr als 112,3 Millionen Euro aus Städtebauförder- und Drittmitteln für die bauliche Wiederbe- lebung in der Innenstadt eingesetzt worden. Diese öffentlichen Mittel kamen 281 priva­ ten Modernisierungen, 21 Sofort- und Sicherungsmaßnahmen, 12 Maßnahmen an öffentlichen Gebäuden, 74 Erschließungs- maßnahmen, 35 Ankäufen und 7 Rück- baumaßnahmen zugute. Sie wurden im Wesentlichen aus den Programmen Innenstadt mit neuem Image „Allgemeine Städtebauförderung“, „Städ- tebaulicher Denkmalschutz“, „Stadtumbau Ost“, „Aktive Stadt- und Ortsteilzentren“, „Kleine Städte und Gemeinden“, „Lebendige Zentren“ sowie dem landeseigenen Pro- gramm bereitgestellt. Die Stadt Neustrelitz ist in der Regel finanziell zu einem Drittel am Förderprogramm beteiligt und hat dar- über hinaus bisher über 12,9 Millionen Euro zusätzliche Eigenmittel zur Verfügung ge- stellt. Dabei ist zu bedenken, dass der wirt- schaftliche Effekt der Städtebauförderung wesentlich größer ist. Auswertungen besa- gen, dass ein Euro aus Fördermitteln sieben Euro an Bauinvestitionen auslösen. Dass heute die Schönheit der Stadt wie- der deutlich sichtbar ist und das Leben in das Zentrum zurückkehrt, ist das Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen von öffent- licher Hand und privaten Bauherren. Die Stadt Neustrelitz hat von Beginn an der Förderung der privaten Baumaßnahmen zur Sanierung der Wohn- und Geschäftshäuser hohe Priorität eingeräumt. Rund ein Viertel aller Mittel sind bisher in diesen Bereich geflossen. Die Städtebauförderung hat Anreize für erhebliche Investitionen im privaten Be- reich geschaffen. Neustrelitz ist die erste Stadt in Mecklenburg-Vorpommern, die ein Konzept für die Förderung von Bau- herrengemeinschaften entwickelt hat. Im Rahmen dieser „Bauherrenmodelle“ setzen Bauwillige ein Projekt gemeinsam, aber im Teileigentum um. Da sich für den Einzelnen das wirtschaftliche Risiko einer Modernisie- rung reduziert, wird die Motivation, sich in der Innenstadt zu engagieren, wirkungsvoll unterstützt. So steigen auch für große oder besonders aufwändige Objekte die Vermark- tungs- und Modernisierungschancen. Seit 2004 wurden neun Bauherrenmodelle in der Stadt umgesetzt. Mietwohnungen im Denkmalbereich sind dank der umfangreichen Sanierungen und Außenbereichsgestaltungen für Singles, Familien und Senioren wieder interes- sant geworden. An der Aufwertung der Innenstadt beteiligen sich die Neustrelit- zer Wohnungsgesellschaft neuwo und die Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft GWG unter anderem durch die Schaffung attraktiver Wohnhöfe. Die Wohnhöfe ver- binden oft mehrere nebeneinander liegende Grundstücke zu Quartieren mit restaurier- ten Wohnbauten und mieterfreundlich ge- stalteten Höfen und Hausgärten. Die neuwo entwickelte überdies das alte Krankenhaus- areal Carolinenstift im Zusammenspiel von denkmalgeschütztem Bestand und Neubau zu einem integrierten neuen Wohnquartier am Hafen. Darüber hinaus ist das Stadtzen- trum zunehmend ein Standort für altenge- rechtes und betreutes Wohnen geworden. Gerade bei der Modernisierung großer Gebäude aus der Bauphase der Gründerzeit haben Architekten und Bauherren über­ zeugende angepasste Lösungen gefunden. Neben der Sanierung des historischen Bestandes wurden seit 1990 auch Brach- flächen und Baulücken beseitigt. So sind zentral gelegene Eigenheime am Sandberg, an der Bleiche, an der Alten Gärtnerei, im Seegang und am Carolinenstift entstanden. Neben dem Wohnkomfort trägt eine gut ausgebaute öffentliche Infrastruktur für alle

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